Zuhause, wartend auf den Anruf aus Ulm - CHEMO!
Ein Tag der sich, so scheint es, immer wiederholt ("Und täglich grüßt das Murmeltier") - warten auf den Anruf aus Ulm. Wie gestern schon geschrieben, es nervt mich unwahrscheinlich, immer in Unklarheit leben zu müssen. Weshalb können die Ergebnisse nicht eindeutig sein: entweder Therapie, oder doch nicht! Klare Ansagen waren mir seit jeher das Liebste, ich brauche etwas, auf das ich mich konzentrieren/einstellen kann. Ich habe bisher alles meistern können, bin niemals auf der Strecke geblieben, aber dafür braucht es auch endlich ein klares Bild des Gegners.
Nachdem ich nun schon auf bin, wo ist mein gesegneter Schlaf nur hin, kann ich mich nachher auch zu Dino (Pferd meiner Schwester) begeben und dort auf den Anruf warten. Vielleicht erwartet mich im Stall sympathische, morgendliche Unterhaltung....
Trifft sich eh gut, kann dann meinem "Geburtstags-Neffle" sein Geschenk vorbeibringen, liegt auf dem Weg: Patrick, Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag, hoffe Du hast heute Abend die Spendierhose an....
Das Handy ist aufgedreht, da entgeht mir kein Anruf. Ich wiederhole mich? Sorry, habe nur das Übel in mir, welches dieses PingPong Spiel verursacht - ich warte auf den Anruf aus Ulm.
Gerade komme ich aus der dm-Drogerie heraus und mein Handy klingelt (8.45 Uhr), auf dem Display steht "Private Nummer" - zeigte es auch gestern an, als Dr. Lee anrief. Frühe Anrufe sind meistens nichts Gutes, das wird sich dieses mal auch wieder bewahrheiten. Ich muss zur Chemo nach Ulm, am Besten schon morgen.
Nun habe ich die gewünschte Klarheit, ein wenig, bzw. so richtig immer noch nicht....
Die Verschiebung meines stationären Termines auf nächsten Mittwoch, sehen sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie tappen immer noch ein wenig im Dunkeln. Mein AFP-Wert hat sich zwar nicht signifikant verändert, aber er könnte bis zum Mittwoch auf z.B. 2000 hochschnellen, dann heißt es: Weshalb habt Ihr nicht schon eher mit der Chemo begonnen?! Er könnte aber auch nur um 30 Punkte ansteigen, dann wäre es vollkommen egal, ob ich morgen oder am Mittwoch einrücke. Wieder einmal "darf" ich entscheiden, deshalb gehe ich erst nächsten Mittwoch (03.04.13) in die Klinik.
Was mich da nun erwartet, dass konnte mir Dr. Lee auch nicht zu 100% sagen. Sie nehmen als erstes Blut, um den AFP-Wert zu bestimmen. Je nachdem wie der Wert ausfällt, bekomme ich den gleichen Cocktail wie am 28.02.13 (Gemcitabine, Oxaliplatin, Paclitaxel = GOP-Schema). Dies wäre quasi eine Art Vorbereitung auf die Hochdosis Chemo, ich dürfte danach wahrscheinlich wieder für ein paar Tage nach Hause. Sollte der Wert explodiert sein, oder die Ärzte zu einer anderen Erkenntnis kommen, bekomme ich evtl. gleich die Hochdosis. Dies würde bedeuten, dass ich dann ab Mittwoch für ca. 4 Monate ausser Gefecht bin - vielleicht vier/fünf Tage Heimaturlaub zwischen den Chemo-Blöcken.
Wenigstens habe ich jetzt ein Ziel vor Augen: die Chemo nicht abzubrechen. Letztes Jahr konnte ich es noch verantworten, jetzt würde ein Abbruch zum sicheren Tod führen.
Tante Hilda erzählte mir gestern von Pfarrer Hönle. Als ihr Bruder (Onkel Horst) starb, sagte Kilian: "Dem Menschen wird bei der Geburt, schon der Sterbetag mit in die Wiege gelegt."
Es will sich niemand mit diesem Thema beschäftigen, weshalb auch - doch hat man Angst VORM Sterben, oder Angst davor WIE man stirbt? Wer sich diese Fragen stellt und sich damit auseinandersetzt, sollte unbedingt eine Patientenverfügung ausfüllen - ich bin 35 Jahre alt und keine 80, Vorsorge ist keine Frage des Alters!
Übrigens, meine Tante Hilda ist ein richtiger Knaller. Was haben wir mit ihr, wegen ihr, über sie gelacht. Ich hoffe Du bleibst mit Deinen 83(?) Jahren weiterhin so fit und vor allem so herrlich undiplomatisch direkt!!!!
Meine Mutter ist heute mit dem Bus zur Beerdigung gefahren - die katholische Kirchengemeinde organisierte ihn. Kurz vor der Abfahrt habe ich mit ihr telefoniert und ihr die "Neuigkeiten" erzählt. Meine neuerliche Erkrankung ist für sie eine enorme Belastung - ich sehe wie sie innerlich leidet und stellenweise nur noch funktioniert. Es tut mir unendlich Leid, dass sie das durchmachen muss, jedoch kann ich nichts helfendes tun, der Krebs ist nunmal da!
Heute dann noch die Beerdigung, es klingt Paradox, aber ich denke dies ist für sie das Richtige. Man kann nicht immer stark sein, aufgestaute Gefühle, Trauer, Schmerz....dies alles muss auch mal raus. Für den Moment ist es dann sehr aufwühlend, man ist hilflos und verzweifelt, danach aber meist befreiter. Gibt es einen besseren Moment, als bei unserem geliebten Kilian seine Sorgen abzuladen?
Heute Abend geht es dann noch nach Eislingen ins "Cavallino", den Geburtstag von Patrick feiern. Mal schauen was es Leckeres auf der Karte gibt, ich muss mir ja noch meinen Krankenhausspeck anessen...es war super lecker, ein wunderschöner Abend!!!